Freitag, 19. September 2014

Die Katharer – und die Freiheit, zu Leben - Essay

Ralf Wendling

Essay

Augenblicke in der Natur

Die Katharer – und die Freiheit, zu Leben

In diesem Landstrich herrscht Frieden.
Freude und Glück empfinde ich, wenn ich hier, in der Region zwischen den Pyrenäen, dem Massif-Central und dem Mare Nostrum unterwegs bin. Tatsächlich fühle ich mich hier zuhause.

Fast scheint es, als ob der friedliche Geist derer, die dieses Land bis vor rund 800 Jahren bewohnten, nun zurückkehrt und die Nähe, die Verbundenheit zur Natur und all ihren Wesen wieder stärker ins Bewusstsein hebt.
Die Zeit ist richtig. Veränderungen stehen an. Wir Menschen merken, dass wir Fragen stellen sollen, das wir Antworten finden, das wir wieder träumen dürfen – und das wir jetzt die Chance haben, Veränderungen einzuleiten; Veränderungen, die uns vielleicht sogar über den Raubbau, die Vergewaltigungen der Erde hinwegtrösten können, die schon so viele Kulturen und Ressourcen vernichtet haben.

Eigentümliche Gefühle überkommen mich, wenn ich Beziers besuche, eine südfranzösische Stadt.
Vorher eine Bastion. Lange Zeit vorher. Eine Bastion, eine „Festung“, in der – während eines tage- und nächtelangen Massakers, mal eben mehr als 20.000 Menschen im Namen der Kirche (und in diesen Kirchen!) während des Feldzuges gegen die Katharer/Albigenser erschlagen, verbrannt wurden.
Es blieb wohl kaum einer übrig von den Bewohnern, die eigentlich nichts anderes getan hatten, als, gemäß ihres christlichen Glaubens frei leben zu wollen.
Tötet sie alle – der Herr wird die Seinen erkennen!“ war der makabre Befehl des beutegierigen Befehlshabers dieses Inquisitions-Feldzuges.
Gewiss. Vor 800 Jahren herrschten mitunter grausame Sitten. Doch eben nicht nur. Denn gerade diejenigen, welche diese grausamen Sitten nicht akzeptierten, anders lebten, wurden Opfer dieser Grausamkeiten. – Meine Gedanken springen zu einigen aktuellen Vorkommnissen und ich muss mich nicht anstrengen, um gewisse Parallelen zu erkennen.
Damals wie heute ist persönliche Freiheit ein äußerst wertvolles Gut.
Denn erst, wenn ich wirklich, wahrhaftig frei bin, über die volle Entscheidungsgewalt meines Seins verfüge, meinen Gefühlen/Gedanken freien Lauf lassen kann, keinen Beschränkungen, willkürlichen Gesetzen, Verboten unterliege, die andere irgendwann einmal erlassen haben, dann bin ich frei.
Frei zu atmen, zu leben, zu lieben und zu lachen, wann, wo, wie und mit wem ich will.
Und mein Leben jeden Augenblick in die Hand zu nehmen – im Wortsinne von „managen“ (von lat. Manus-agere)
Das damalige Langue-d´Oc, eine inspirierende, prosperierende Gegend;
Kunst, Kultur, authentischer Naturglaube, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frau und Mann waren wertvolles Gut.
Ja: Es herrschte Frieden in dieser Landschaft, diesem Konglomerat von Gegenden, die heute unter dem Sammelbegriff der alten Sprache, eben dem Langue d´Oc bekannt sind.
Bis die Gier geistlich-weltlicher Herrscher die blühende Kultur vernichtete.
Was frei war, wurde dem Diktat von Macht, materialistischem Denken und der Gewalt unterworfen.
Wer frei dachte, seiner Freiheit beraubt.
Was blieb – und das lässt sich nie ausrotten, ist der Atem der Freiheit,
die tiefreichende Wurzel, die sichtbar bis in die Zeit der Kelten – und wohl, im kosmischen Unterbewusstsein verankert, bereits viele Generationen vorher als energetisches Saatgut diesem sonnenverwöhnten und gemäßigt gedeihenden Flecken Erde eingepflanzt war.
So tief und nachhaltig sitzt dieser Same, wirkt diese Energie, die – heute erneut spürbar und ebenso kraftvoll dieses Land und seine Menschen, ebenso die Besucher wieder beseelt – zum Erwachen, Entdecken und Entwickeln aufruft, so dass die Wellen der Vita dieses freiheitliche Ansinnen in einem Maße befeuern, das lange Zeit in den stillen Magmakammern unseres Seins verborgen schien.

Ich habe die Wahrheit einer – nicht nur für mich bestimmten - Botschaft wohl vernommen:

Der Same der Freiheit geht auf.“

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