Montag, 2. Juli 2012

essay "Der Fluss des Lebens"


Ralf Wendling

Essay

Augenblicke in der Natur
Der Fluss des Lebens

„Don´t try to catch a river“ – versuche nie, einen Fluss zu fangen…; ein altes Sprichwort der amerikanischen Ureinwohner, soweit mir bekannt ist.
Ich sitze am Oulas, dem naturwilden Flüsschen und sinne. Das Wasser gurgelt, strömt an mir vorbei; manchmal scheint es, das Leben auch.
Die Windungen, die Stromschnellen, die „Un-Tiefen“ des Gewässers – so tief wie meine Gedanken. Unergründlich? Dunkel? Oder doch so klar wie ein Quellaustrit aus einer Felswand!? Was lange emporsteigt… . – Die artesische Eruption, gut, eine besonders ausgefallene Sprachschöpfung meinerseits.
Quirlig treibt es den Fluss - ja, wohin denn: Vorwärts? Keine Extreme. In jeder Richtung mäandernd, stürmisch, doch auch ruhig, beschaulich, gerade.
Mein Fluss des Lebens, welche Gestade durfte ich kennenlernen, welche Länder sehen, oft getragen über´s Wasser. Wieviele Bäche habe ich durchschritten, bin voller Begeisterung mit den nackten Füssen hindurchgewatet, genoß die Berührung, habe die Fühlung aufgenommen – zu mir selbst. Kälte und Wärme. Hitze erlischt in der Kühle des Naß.
Ich ließ mich treiben. Lange Jahre. Wechselnde Orte und andere Ziele. Kurzfristig. Mal ein Erfolg. Der Woge der Begeisterung folgte das Tal der Tränen, der Gleichgültigkeit. Und doch: ein „grüner“ Faden, eine leichte Perlenschnur, eher schemenhaft, an der sich mein Leben und die Stationen aufreihten und weiteraufreihen: Die Natur. Fließendes Wasser. Felsmassive. Unbewusst nehme ich Natur auf. Und an. Ich akzeptiere sie. Das ist mehr als Hinnahme. Es ist auch eine Hingabe, da ich sie im Grunde meines Herzens vorbehaltlos annehme und bewundere.
Dieser nicht endenwollende Strom des Lebens, der mich immer wieder einfängt und mich dorthin trägt, wo ich mich wohlfühle. Ich werden den Fluss wohl nie einfangen können, doch er bindet mich auf seine Weise an sich.

Eine Weise der Zartheit, des Sanftmuts. Ein Dirigent mit besonders feingliedrigen Fingern, zu dessen Taktangaben ich mich im natürlichen Rhythmus wiegen kann – und einfach loslasse.
Das Wasser, dieses bestimmte Wasser, welches gerade jetzt vor mir aufgischtet, das nehme ich wahr. Bereits den Bruchteil einer Sekunde transportiert die Energie wieder frisches Wasser heran, das andere ist „vergangen“.
So erfreue ich mich des Augenblicks, der Nächste wartet schon auf mich.
Und der Fluss spielt seine Melodie dazu.


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