Ralf
Wendling
Essay
Augenblicke
in der Natur
Die
Katharer – und die Freiheit, zu Leben
In diesem Landstrich herrscht Frieden.
Freude und Glück empfinde ich, wenn
ich hier, in der Region zwischen den Pyrenäen, dem Massif-Central
und dem Mare Nostrum unterwegs bin. Tatsächlich fühle
ich mich hier zuhause.
Fast scheint es, als ob der friedliche
Geist derer, die dieses Land bis vor rund 800 Jahren bewohnten, nun
zurückkehrt und die Nähe, die Verbundenheit zur Natur und all ihren
Wesen wieder stärker ins Bewusstsein hebt.
Die Zeit ist richtig. Veränderungen
stehen an. Wir Menschen merken, dass wir Fragen stellen sollen,
das wir Antworten finden, das wir wieder träumen dürfen – und das
wir jetzt die Chance haben, Veränderungen einzuleiten;
Veränderungen, die uns vielleicht sogar über den Raubbau, die
Vergewaltigungen der Erde hinwegtrösten können, die schon so viele
Kulturen und Ressourcen vernichtet haben.
Eigentümliche Gefühle überkommen
mich, wenn ich Beziers besuche, eine südfranzösische Stadt.
Vorher eine Bastion. Lange Zeit
vorher. Eine Bastion, eine „Festung“, in der – während eines
tage- und nächtelangen Massakers, mal eben mehr als 20.000 Menschen
im Namen der Kirche (und in
diesen Kirchen!) während des Feldzuges gegen die Katharer/Albigenser
erschlagen, verbrannt wurden.
Es blieb wohl kaum einer übrig von
den Bewohnern, die eigentlich nichts anderes getan hatten, als, gemäß
ihres
christlichen Glaubens frei leben zu wollen.
„Tötet sie alle – der Herr wird
die Seinen erkennen!“ war der makabre Befehl des beutegierigen
Befehlshabers dieses Inquisitions-Feldzuges.
Gewiss. Vor 800 Jahren herrschten
mitunter grausame Sitten. Doch eben nicht nur. Denn gerade
diejenigen, welche diese grausamen Sitten nicht
akzeptierten, anders lebten, wurden Opfer dieser Grausamkeiten. –
Meine Gedanken springen zu einigen aktuellen Vorkommnissen und ich
muss mich nicht anstrengen, um gewisse Parallelen zu erkennen.
Damals wie heute ist persönliche
Freiheit ein äußerst wertvolles Gut.
Denn erst, wenn ich wirklich,
wahrhaftig frei bin, über die volle Entscheidungsgewalt meines Seins
verfüge, meinen Gefühlen/Gedanken freien Lauf lassen kann, keinen
Beschränkungen, willkürlichen Gesetzen, Verboten unterliege, die
andere irgendwann einmal erlassen haben, dann bin ich frei.
Frei zu atmen, zu leben, zu lieben und
zu lachen, wann, wo, wie und mit wem ich
will.
Und mein Leben jeden Augenblick in die
Hand zu nehmen – im Wortsinne von „managen“ (von lat.
Manus-agere)
Das damalige Langue-d´Oc, eine
inspirierende, prosperierende Gegend;
Kunst, Kultur, authentischer
Naturglaube, die tatsächliche
Gleichberechtigung von Frau und Mann waren wertvolles Gut.
Ja: Es herrschte Frieden in dieser
Landschaft, diesem Konglomerat von Gegenden, die heute unter dem
Sammelbegriff der alten Sprache, eben dem Langue d´Oc bekannt sind.
Bis die Gier geistlich-weltlicher
Herrscher die blühende Kultur vernichtete.
Was frei war, wurde dem Diktat von
Macht, materialistischem Denken und der Gewalt unterworfen.
Wer frei dachte, seiner Freiheit
beraubt.
Was blieb – und das lässt sich nie
ausrotten, ist der Atem
der Freiheit,
die tiefreichende Wurzel, die sichtbar
bis in die Zeit der Kelten – und wohl, im kosmischen
Unterbewusstsein verankert, bereits viele Generationen vorher als
energetisches Saatgut diesem sonnenverwöhnten und gemäßigt
gedeihenden Flecken Erde eingepflanzt war.
So tief und nachhaltig sitzt dieser
Same, wirkt diese Energie, die – heute erneut spürbar und ebenso
kraftvoll dieses Land und seine Menschen, ebenso die Besucher wieder
beseelt – zum Erwachen, Entdecken und Entwickeln aufruft, so dass
die Wellen der Vita dieses freiheitliche Ansinnen in einem Maße
befeuern, das lange Zeit in den stillen Magmakammern unseres Seins
verborgen schien.
Ich habe die Wahrheit einer – nicht
nur
für mich bestimmten - Botschaft wohl vernommen:
„Der Same der Freiheit geht
auf.“
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